Zukunft Wehrpflicht: Warum ein Dienstjahr für alle in Deutschland unvermeidbar ist

Die Wehrpflicht in Deutschland ist seit 2011 ausgesetzt. In diesem Beitrag werden internationale Modelle betrachtet, die geplante "Wehrpflicht light" erläutert und die Chancen einer verpflichtenden Dienstpflicht für alle Geschlechter zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und des sozialen Zusammenhalts aufgezeigt.

Die Einführung und Entwicklung der Wehrpflicht in Deutschland

Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 spielte die allgemeine Wehrpflicht eine zentrale Rolle in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik des Landes. Sie wurde am 21. Juli 1956 offiziell eingeführt und knapp ein Jahr später, am 1. April 1957, erstmals durchgesetzt. Diese Entscheidung erfolgte im Kontext des Kalten Krieges und der geopolitischen Spannungen zwischen Ost und West, um die militärische Stärke der Bundesrepublik im Rahmen der NATO zu sichern. Die Gründung der Bundeswehr am 12. November 1955 war eine direkte Reaktion auf diese wachsenden Spannungen, und die Wehrpflicht sollte eine breite Reserve an einsatzfähigen Männern bereitstellen. Die Bundeswehr sieht sich als integraler Bestandteil des NATO-Bündnisses, mit dem militärischen Auftrag, durch Abschreckung den Frieden zu sichern und zu stabilisieren.

„Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“

Die Einführung der Wehrpflicht knüpfte auch an die lange militärische Tradition Deutschlands an. Seit ihrer Einführung im 19. Jahrhundert ist sie ein fester Bestandteil der deutschen Militärgeschichte gewesen. Während der Befreiungskriege wurde sie im Rahmen der preußischen Reformen eingeführt und symbolisierte damals eine Aufwertung des bis dahin deklassierten Soldatenstandes. Seinen Wehrdienst abzuleisten galt als „Ehrendienst“, und die Armee wurde als „Schule der Nation“ angesehen. Diese Tradition setzte sich bis auf Ausnahme der Weimarer Republik über die Jahrhunderte hinweg fort, und die Wehrpflicht war sowohl in den Einigungskriegen zwischen 1864 und 1871 als auch in den beiden Weltkriegen ein bedeutender Bestandteil des Militärs.

Über Jahrzehnte hinweg war die Wehrpflicht ein zentraler Bestandteil des deutschen Wehrsystems. Männer wurden in der Regel im Alter von 18 Jahren gemustert und anschließend zum Grundwehrdienst eingezogen. Die Dauer des Wehrdienstes schwankte: Zwischen 1957 und 2011 betrug sie durchschnittlich 12 Monate, konnte jedoch bis zu 18 Monate dauern, während sie gegen Ende der Wehrpflicht auf nur noch 6 Monate reduziert wurde.

Die Einwohnermeldeämter meldeten quartalsweise alle männlichen Jugendlichen, die das 17. Lebensjahr vollendet hatten, an die zuständigen Kreiswehrersatzämter. Diese verschickten anschließend Briefe mit der Aufforderung, die übermittelten Daten zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Danach erfolgte die Einladung zur Musterung, bei der der Gesundheitszustand und der Tauglichkeitsgrad festgestellt wurden. Dieser Tauglichkeitsgrad war ausschlaggebend dafür, ob man zum Wehrdienst eingezogen wurde.

Es bestand jedoch die Möglichkeit, die Wehrpflicht durch alternative Dienste zu ersetzen. Dazu zählten der Polizeivollzugsdienst oder eine mindestens vierjährige Verpflichtung im Katastrophenschutz, etwa beim Technischen Hilfswerk (THW), der Freiwilligen Feuerwehr oder Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz. Mit der Einführung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen entstand zudem die Option, den Zivildienst als Alternative zum Wehrdienst abzuleisten.

Es bestand jedoch die Möglichkeit, die Wehrpflicht durch alternative Dienste zu ersetzen. Dazu zählten der Polizeivollzugsdienst oder eine mindestens vierjährige Verpflichtung im Katastrophenschutz, etwa beim Technischen Hilfswerk (THW), der Freiwilligen Feuerwehr oder Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz. Mit der Einführung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen entstand zudem die Option, den Zivildienst als Alternative abzuleisten. Der Zivildienst spielte eine wichtige Rolle im deutschen Sozialsystem und ermöglichte es, in sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Altenheimen oder im Rettungsdienst tätig zu werden.

„Die bestehende Wehrpflicht ist hoch ungerecht. Man kann nicht mehr von einer Allgemeinen Wehrpflicht reden, wenn etwa zehn Prozent der Wehrpflichtigen eines Jahrgangs überhaupt nur eingezogen werden können.“

Claudia Roth (2004)

Im Laufe der Zeit änderte sich jedoch die Rolle der Bundeswehr. Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall der Sowjetunion verschob sich die Bedrohungslage, und das Konzept einer Wehrpflichtarmee wurde zunehmend in Frage gestellt. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag, der die Deutsche Einheit ermöglichte, legte eine massive Abrüstung fest: Die einstige Sollstärke von 600.000 Soldaten der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee der DDR wurde auf 170.000 reduziert. In einem Europa, das sich zunehmend von Konflikten entfernt fühlte und von „Friedensdividenden“ sprach, verlor die Wehrpflicht ihre einstige Dringlichkeit. Die Auflösung des Warschauer Pakts nahm zudem den Hauptgrund für die Notwendigkeit einer Mobilmachungsarmee.

Am 1. Juli 2011 wurde die Wehrpflicht offiziell ausgesetzt. Diese Entscheidung fiel unter der Regierung von Angela Merkel (CDU), als der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sich aufgrund der veränderten Bedrohungslage und der sinkenden Zahl wehrfähiger Männer für eine Freiwilligenarmee entschied. Für das entsprechende Gesetz (Wehrrechtsänderungsgesetz 2011, kurz WehrRÄndG 2011) stimmten damals die CDU/CSU, FDP und Bündnis90/Die Grünen. Seitdem ist die Bundeswehr eine reine Freiwilligenarmee. Die Pflicht für männliche deutsche Staatsbürger, Wehrdienst oder einen zivilen Ersatzdienst für Deutschland abzuleisten, ist bis heute entfallen. Allerdings bleibt die Wehrpflicht formal im Grundgesetz verankert und wird in einem Verteidigungsfall reaktiviert.

„Eine Berufsarmee stand 1955 nie zur Debatte. Und es gehörte eigentlich bei allen Parteien immer zum guten Ton, die große gesellschaftliche Bedeutung der Wehrpflicht in dieser Verbindung von Gesellschaft und Armee zu betonen. Und dass damit eben alle Schichten und Köpfe der Gesellschaft eben auch in die Armee gehen. ‚Der Bürger in Uniform‘ ist damit eines der großen Schlagworte für die Bundeswehr gewesen.“

Militärhistoriker Neitzel

Definition der Wehrpflicht und ihre rechtlichen Rahmenbedingungen

Art 12a GG:

(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.

(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. […]

Der Begriff „Wehrpflicht“ wird oft in zweierlei Kontexten verwendet. Grundsätzlich ist die Wehrpflicht die Verpflichtung aller deutschen Staatsbürger, sich im Verteidigungsfall am militärischen oder zivilen Schutz des Landes zu beteiligen. Dies ist in Artikel 12a des Grundgesetzes verankert. Im Gegensatz dazu wird auch oft der Grundwehrdienst der einfach halber als Wehrpflicht bezeichnet. Dieser meint den regelmäßige Militärdienst, der im Frieden als Teil der Wehrpflicht geleistet wurde.

Die Wehrpflicht umfasst also mehr als nur den klassischen Grundwehrdienst; sie beinhaltet auch die Verpflichtung zum Dienst im Verteidigungsfall, der sowohl militärische als auch zivile Aufgaben umfassen kann. Im Verteidigungsfall kann jeder Bürger zu Dienstleistungen herangezogen werden, die für den Schutz des Landes notwendig sind.

Artikel 12a des Grundgesetzes bildet die Grundlage für das Wehrpflichtgesetz (WPflG), das die Wehrpflicht im Detail regelt. Mit dem „Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011“, welches die Aussetzung der Wehrpflicht ermöglichte, wurde § 2 WPflG entsprechend angepasst. Seitdem gilt das Wehrpflichtgesetz nur noch im Spannungs- oder Verteidigungsfall, jedoch nicht mehr in Friedenszeiten. Die Verankerung der Wehrpflicht im Grundgesetz bleibt davon unberührt.

Eine einfache Mehrheit im Bundestag wäre ausreichend, um das WPflG wieder zu ändern und die Wehrpflicht in der bisherigen Form erneut einzuführen. Allerdings lässt sich der Kritikpunkt der Wehrungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern nur durch eine Grundgesetzänderung beheben, die eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erfordert.

Die Aussetzung der Wehrpflicht und ihre Folgen

Die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland im Jahr 2011 hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Bundeswehr und die Gesellschaft insgesamt.

Auswirkungen auf die Bundeswehr

Mit dem Wegfall des Grundwehrdienstes verlor die Bundeswehr eine wichtige Quelle an Personal. Die Anzahl der Soldaten sank von etwa 220.000 im Jahr 2010 auf rund 183.000, was zu einem erheblichen Personalmangel führte. Die angestrebte Truppenstärke von 203.300 bis 2031 erfordert eine Steigerung um etwa 20.000 Soldaten, was angesichts der aktuellen Rekrutierungsprobleme als herausfordernd gilt. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht wurden weitere Sparmaßnahmen umgesetzt. Ganze Liegenschaften wurden aufgegeben. Strukturen wie die Kreiswehrämter wurden abgebaut. Die Anzahl der Ausbilder wurde reduziert. Der Überblick über Wehrpflichtige und Wehrtaugliche fehlt komplett. Dies hat die Fähigkeit der Bundeswehr, neue Rekruten effektiv auszubilden und zu integrieren, stark beeinträchtigt und eine Wiedereinführung der Wehrpflicht wie damals von heute auf morgen ist nicht machbar!

Soziale Folgen

Die sozialen Einrichtungen, die auf Zivildienstleistende angewiesen waren, erlitten ebenfalls einen Verlust wertvoller Ressourcen. Die freiwilligen Dienste konnten den entstandenen Mangel nicht ausgleichen, was insbesondere im Pflegebereich zu einem akuten Notstand führte.

Diskussion um die Wiedereinführung

Die Debatte über eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht ist nie ganz verstummt. Politische Stimmen, insbesondere nach sicherheitspolitischen Veränderungen wie der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014, fordern eine Rückkehr zur Wehrpflicht, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Umfragen zeigen, dass etwa 60 Prozent der Bevölkerung eine allgemeine Wehrpflicht befürworten.

Die aktuelle Diskussion und das Modell von Boris Pistorius

Im Jahr 2024 entfachte der amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius erneut die Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Nach sorgfältiger Prüfung verschiedener, teils neuer Modelle präsentierte Pistorius am 12. Juni 2024 seinen Ansatz für einen „Neuen Wehrdienst“, der sich an dem schwedischen Modells orientiert.

Das vorgeschlagene Modell sieht zunächst eine Erfassung derjenigen vor, die im wehrdienstfähigen Alter sind. Sowohl Männer als auch Frauen werden angeschrieben und erhalten einen Fragebogen, der unter anderem die körperliche Fitness und Motivation abfragt. Während die Beantwortung für Männer verpflichtend ist, bleibt sie für Frauen freiwillig. Durch diese gezielte Ansprache sollen viele junge Menschen erstmals aktiv mit der Frage konfrontiert werden, warum es die Bundeswehr gibt und ob sie einen Wehrdienst leisten möchten. Für Interessierte wird zusätzlich ein umfassendes digitales Informationsangebot bereitgestellt.

Ein Teil der Männer, die den Fragebogen ausgefüllt haben, wird im nächsten Schritt zur Musterung aufgefordert. Frauen können sich freiwillig mustern lassen. Aus dem Pool der gemusterten Personen werden die Geeignetsten und Motiviertesten für den Dienst ausgewählt.

Da nach der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 viele notwendige Strukturen abgebaut wurden, sind die aktuellen Kapazitäten der Bundeswehr in Bezug auf Unterbringung, Ausbildung und Ausrüstung begrenzt. Deshalb soll jährlich geprüft werden, wie viele Rekrutinnen und Rekruten ausgebildet werden können. Im ersten Jahr des „Neuen Wehrdienstes“ plant die Bundeswehr, zusätzlich rund 5.000 Soldatinnen und Soldaten aufzunehmen.

Ob das neue Konzept die erhoffte Wirkung zeigen kann und tatsächlich mehr Wehrpflichtige während ihres Dienstes Interesse an einer weiterführenden Karriere als Zeit- oder Berufssoldaten entwickeln können, bleibt abzuwarten. Jedoch gibt es innerhalb der Regierungskoalition noch keine klare Mehrheit für eine Rückkehr zur Wehrpflicht. Dennoch gilt dieser Schritt im Kontext der „Zeitenwende“ als ein wichtiger und richtiger Ansatz. Man versucht mit der vorhandenen politischen Mehrheit das Beste aus der aktuellen Lage zu machen. Das vorgestellte Konzept ist aber nicht die perfekte Lösung.

Internationale Modelle der Wehrpflicht

Weltkarte der Armeeformen
  • grün: keine (eigenen) Streitkräfte
  • türkis: (de facto) keine Wehrpflicht (Berufsarmee / ausgesetzt / Bedarf trotz Wehrpflicht durch Freiwillige gedeckt
  • lila: selektive Wehrpflicht existiert, weniger als 20 % der Verpflichteten werden tatsächlich eingezogen
  • rot: allgemeine Wehrpflicht
  • grau: keine Angaben

Welche Alternativen zur neu vorgestellten „Wehrpflicht light“ gibt es? Was wäre denn eine optimale Lösung? Aus welches Ziel sollte man hinarbeiten und sich eine politische Mehrheit suchen?

Die Wehrpflicht ist kein ausschließlich deutsches Phänomen. Verschiedene Länder haben unterschiedliche Modelle, die im Laufe der Zeit an ihre spezifischen geopolitischen und sicherheitspolitischen Bedürfnisse angepasst wurden. Hier sind sechs Länder mit unterschiedlichen Ansätzen:

Schweiz

Die Schweiz geht in Europa einen ganz eigenen Weg in Bezug auf die Wehrpflicht und verbindet diese eng mit ihrer Neutralitätspolitik und dem Milizprinzip. In der Schweiz spielt das Milizwesen, neben der direkten Demokratie, dem Föderalismus und der Konkordanz, eine zentrale Rolle in der politischen und gesellschaftlichen Struktur des Landes. Das Milizprinzip bedeutet, dass Aufgaben nebenamtlich übernommen werden – sei es in Vereinen, in der Politik oder, wie im Fall der Schweizer Armee, im Militär.

Die Schweizer Armee ist eine sogenannte Milizarmee mit einer Stärke von etwa 150.000 Soldaten, von denen nur ein kleiner Teil Berufs- oder Zeitsoldaten sind. Der Großteil der Soldaten und Offiziere übt einen zivilen Beruf aus und leistet lediglich in festgelegten Zeiträumen seinen Militärdienst. Dieses Modell der Milizarmee genießt laut Umfragen einen breiten Rückhalt in der Schweizer Bevölkerung, da es die Verteidigungsbereitschaft des Landes auf viele Schultern verteilt und eng mit der Tradition der direkten Demokratie verbunden ist.

Für männliche Schweizer Bürger besteht eine Dienstpflicht, die sie entweder durch die militärische Rekrutierung oder, seit 1992, durch den Zivildienst erfüllen können. Frauen können auf freiwilliger Basis in der Armee dienen. Spezielle Regelungen gelten für Auslandschweizer, Doppelbürger und Eingebürgerte. Der Militärdienst beginnt in der Regel mit 18 Jahren und endet im Alter von 30 Jahren. Die Rekrutenschule, die bis zum 25. Lebensjahr absolviert werden muss, dauert meist 18 Wochen. Anschließend bleibt man neun Jahre lang in der Armee eingeteilt und absolviert in dieser Zeit sechs Wiederholungskurse (WK) von jeweils drei Wochen Dauer. Wer außerdem der Armee angehört und mit einem Sturmgewehr ausgerüstet ist, muss jährlich eine Schiessübung in einem Schiessverein absolvieren. Die Pflicht dauert bis zum Jahr vor der Entlassung aus der Armee. Nach Abschluss des zehnten Dienstjahres wird man schließlich aus der Militärdienstpflicht entlassen.

Eine Besonderheit der Schweizer Wehrpflicht ist, dass die Wehrpflichtigen ihre Ordonnanzwaffen, darunter oft Sturmgewehre, während des Dienstes zu Hause aufbewahren. Diese Waffen können nach Beendigung des Dienstes gegen eine geringe Gebühr erworben werden, was dazu führt, dass in vielen Schweizer Haushalten eine Waffe vorhanden ist. In der Schweiz sind etwa 2,5 Millionen Schusswaffen im Privatbesitz verteilt auf 8,7 Millionen Einwohner, was das Land zu einem der am stärksten bewaffneten der Welt macht.

Trotz der hohen Verfügbarkeit von Waffen weist die Schweiz eine vergleichsweise niedrige Rate an Waffengewalt auf, was sie oft zu einem internationalen Vorbild macht. Insbesondere in den USA wird die Schweiz in Diskussionen über Waffenkontrolle und Waffengewalt häufig als positives Beispiel angeführt.

„Die Schweiz hat keine Armee, die Schweiz ist eine Armee.“

Die Wehrpflicht ist in der Schweiz jedoch mehr als nur eine sicherheitspolitische Maßnahme. Sie gilt als integraler Bestandteil der bewaffneten Neutralität, die seit jeher ein Grundpfeiler der Schweizer Außen- und Sicherheitspolitik ist. Ein wesentlicher Vorteil des schweizerischen Modells liegt in der breiten militärischen Ausbildung der Bevölkerung, die im Ernstfall eine schnelle Mobilisierung ermöglicht. So sorgt das Schweizer System nicht nur für eine schlagkräftige Armee, sondern auch für eine starke nationale Identität und gesellschaftliche Kohäsion.

Österreich

In Österreich besteht eine allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Staatsbürger im Alter von 17 bis 50 Jahren, wobei Offiziere und Unteroffiziere sogar bis zum 65. Lebensjahr wehrpflichtig sind. Die reguläre Dienstzeit beträgt seit 2006 sechs Monate. Alternativ können Wehrpflichtige einen neunmonatigen Zivildienst oder länger andauernde Freiwilligendienste absolvieren, wie etwa den Auslandsdienst, den Europäischen Freiwilligendienst (EFD) oder ein Freiwilliges Soziales oder Umweltjahr.

Das österreichische Militär, bekannt als Bundesheer, zählt etwa 46.000 Soldaten. Jährlich durchlaufen rund 17.000 Grundwehrdiener die Ausbildung, wobei stets nur etwa 7.000 gleichzeitig im aktiven Dienst sind. Die Wehrpflicht dient in Österreich nicht nur der militärischen Ausbildung, sondern deckt auch wesentliche soziale Dienste ab, insbesondere durch den Zivildienst, der in Bereichen wie dem Rettungswesen oder der Pflege stark gebraucht wird.

Eine Besonderheit des österreichischen Wehrpflichtsystems ist die Einschränkung des Zugangs zu waffenrechtlichen Dokumenten. Wer den Dienst an der Waffe ablehnt, kann für einen Zeitraum von 15 Jahren – mit wenigen Ausnahmen – keine waffenrechtlichen Genehmigungen erhalten. In einem Land mit vergleichsweise liberalen Waffengesetzen stellt dies für viele Betroffene einen erheblichen Einschnitt dar.

Die Wehrpflicht in Österreich wird besonders von der jüngeren Generation stark kritisiert. Der Hauptkritikpunkt liegt in der fehlenden Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, die in der Verfassung verankert ist. Viele bemängeln, dass die Wehrpflicht aufgrund ihrer geschlechtsspezifischen Diskriminierung eigentlich verfassungswidrig wäre, wenn sie nicht selbst Teil der Verfassung wäre.

Während das Modell sicherstellt, dass sowohl militärische als auch soziale Dienste abgedeckt werden, wird insbesondere die kurze Dauer des Wehrdienstes von Kritikern als unzureichend angesehen, um eine umfassende Ausbildung zu gewährleisten.

Schweden

In der Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland fällt häufig der Begriff „schwedisches Modell“. Dabei handelt es sich um eine Kontingent-Wehrpflicht, die sowohl Männer als auch Frauen einbezieht. Viele Politiker halten dieses Modell für interessant und sehen es als potenziell anpassungsfähig für Deutschland – darunter auch der amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius, der sich offen für das schwedische Modell begeistert.

Schweden setzte seine Wehrpflicht, die sogenannte „Värnplikt“, nur ein Jahr nach Deutschland aus, reaktivierte sie jedoch bereits 2017. Der Auslöser war die veränderte Sicherheitslage in Europa, insbesondere die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014. Zudem war Schweden bis März 2024 neutral und nicht Mitglied der NATO, was bedeutete, dass das Land eigenverantwortlich für seine Sicherheit sorgen musste. Wie auch in Deutschland führten die Aussetzung der Wehrpflicht und der Übergang zum freiwilligen Militärdienst zu einem erheblichen Personalmangel, da sich nicht genügend junge Schweden für den freiwilligen Dienst in der Armee interessierten.

Das schwedische Modell basiert auf einer allgemeinen Pflicht zur Teilnahme an einem Online-Fragebogen, den alle 110.000 Männer und Frauen eines Jahrgangs ausfüllen müssen. Dieser erfasst Interessen, Fähigkeiten und Motivation. Auf Basis dieser Ergebnisse werden rund 25.000 junge Menschen zur Musterung eingeladen, bei der sie insbesondere auf ihre körperliche Eignung hin untersucht werden. Der jährliche Bedarf an neuen Rekruten, etwa 7.000, wird zunächst mit den am besten geeigneten und motiviertesten Männern und Frauen gedeckt. Sollte die Zahl der Freiwilligen nicht ausreichen, werden auch jene eingezogen, die kein Interesse bekundet haben. Ein großer Vorteil dieses Systems ist die flexible Auswahl der Wehrpflichtigen, die sowohl auf deren Fähigkeiten als auch auf ihre Motivation abgestimmt wird. Zudem lässt sich das Kontingent jährlich an die verfügbaren logistischen Ressourcen anpassen.

Der Wehrdienst in Schweden dauert je nach Verwendung zwischen neun und fünfzehn Monate, und der Sold beträgt umgerechnet 14 Euro pro Tag, inklusive Verpflegung und Unterkunft.

In Schweden sind alle 10,5 Millionen Einwohner des Landes, einschließlich im Land lebender Ausländer, gesetzlich verpflichtet, zur Verteidigung des Landes beizutragen. Das Verteidigungssystem basiert auf drei Säulen: der Wehrpflicht („Värnplikt“), dem Zivildienst („Civilplikt“) und der allgemeinen Dienstpflicht („Allmän tjänsteplikt“). Diese drei Elemente gelten als unerlässlich für die nationale Verteidigung im Falle eines militärischen Konflikts.

Jeder Bürger zwischen 16 und 70 Jahren ist verpflichtet, seinen Beitrag zu leisten – sei es im Militärdienst, im Schutz der Zivilbevölkerung oder zur Aufrechterhaltung wesentlicher gesellschaftlicher Funktionen wie Gesundheitswesen, Transport, Stromversorgung oder Kinderbetreuung. Diese umfassende Verpflichtung erklärt die hohe Akzeptanz der Wehrpflicht in der Bevölkerung sowie den Respekt gegenüber den etwa 24.400 aktiven Soldaten und 32.900 Reservisten. Der Verteidigungswille der Schweden ist stärker ausgeprägt als in Deutschland, und die Debatte über Wehrgerechtigkeit wird in Schweden anders geführt als in der Bundesrepublik.

Finnland

Finnland, das direkt an Russland grenzt, betrachtet die Wehrpflicht als elementaren Pfeiler seiner Verteidigungsstrategie. Auch während der Zeiten der Neutralität hat das neue NATO-Mitglied nie von dieser Praxis abgelassen. Mit einer Bevölkerung von rund 5,6 Millionen Menschen vertritt Finnland die Auffassung, dass die Verteidigung des Landes eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die eine breite personelle Basis erfordert. Die Wehrpflicht stellt dabei nicht nur die Grundlage für den militärischen Schutz, sondern ist auch eine kosteneffiziente Methode, um eine Reserve in der benötigten Größe und Leistungsfähigkeit vorzuhalten.

Finnische Männer müssen im Alter von 18 bis 60 Jahren an der bewaffneten Verteidigung Finnlands teilzunehmen. Diese Pflicht ist im Grundgesetz verankert. (Artikel 127: Jeder finnische Staatsangehörige ist verpflichtet, an der Verteidigung des Vaterlandes teilzunehmen oder so dazu beizutragen, wie es durch Gesetz geregelt wird.)

Finnland setzt auf eine allgemeine Wehrpflicht für Männer, deren Dauer je nach Laufbahn zwischen sechs und zwölf Monaten variiert. Alternativ können Wehrpflichtige einen Zivildienst leisten, der ein Jahr dauert. Diese Pflicht müssen Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren erfüllen, wobei Totalverweigerern Haftstrafen drohen. Seit 1995 können auch Frauen im Alter von 18 bis 29 Jahren freiwillig Wehrdienst leisten. Die Ausbildungsinhalte sowie die Anforderungen sind für beide Geschlechter identisch. Frauen und Männer haben gleichermaßen Zugang zur Offiziersausbildung und zu einer späteren militärischen Karriere. Eine Altersgruppe umfasst etwa 30.000 Männer, von denen fast 70 Prozent ihren Wehrdienst absolvieren – das sind etwa 22.000 Männer und rund 1.100 Frauen jährlich.

Dank der allgemeinen Wehrpflicht verfügt Finnland über eine gut ausgebildete Reserve von rund 900.000 Personen. In Krisenzeiten kann das Land auf eine aktive Truppenstärke von 280.000 Personen zurückgreifen. Jährlich durchlaufen mehr als 29.000 Reservisten zusätzliche militärische Trainings. Die Bereitschaft zur Verteidigung des Landes ist sowohl bei den Reservisten als auch bei den Wehrpflichtigen hoch.

Die Wehrpflicht genießt in der finnischen Bevölkerung große Zustimmung: Über 80 Prozent der Finnen unterstützen das derzeitige Wehrpflichtsystem, das eine essentielle Rolle bei der Sicherung der für die Landesverteidigung benötigten Reserven spielt. Sie ist fest in der finnischen Identität und Gesellschaft verankert. Wehrpflichtige aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten leisten einen wertvollen Beitrag zur militärischen Verteidigung ihrer Heimat, was eine starke integrative Wirkung auf die finnische Gesellschaft ausübt. Der Militärdienst schafft Verbindungen über soziale und wirtschaftliche Grenzen hinweg, sodass fast jede finnische Familie einen persönlichen Bezug zu den Streitkräften hat, was die Akzeptanz und Unterstützung weiter festigt.

Israel

Israel unterhält eine umfassende Wehrpflicht für Männer (drei Jahre) und Frauen (zwei Jahre) und gehört zu den wenigen Ländern weltweit, die nahezu jeden Wehrpflichtigen auch tatsächlich einziehen. Während viele Staaten nur einen Bruchteil der Wehrpflichtigen tatsächlich zur Musterung laden, wird in Israel nahezu jeder Erwachsene zum Militärdienst verpflichtet. Zudem gehört Israel zu den wenigen Ländern, die die Wehrpflicht auf beide Geschlechter ausgedehnt haben.

Wehrpflichtig ist jeder israelische Staatsbürger, unabhängig davon, ob er im Inland oder im Ausland lebt, sowie ständige Einwohner Israels, selbst wenn sie keine israelische Staatsbürgerschaft besitzen. Die Wehrpflicht betrifft alle, die zwischen 18 und 29 Jahre alt sind und als diensttauglich eingestuft werden. Bereits ab dem Alter von 16,5 Jahren müssen sich Jugendliche bei den israelischen Militärbehörden registrieren und ihren Status feststellen lassen.

Es gibt jedoch auch Ausnahmen: Frauen können aus Gewissensgründen vom Militärdienst befreit werden und stattdessen einen Ersatzdienst (National Service) leisten. Ebenso sind bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgenommen. Für Männer hingegen ist die Wehrdienstverweigerung gesellschaftlich stark geächtet und führt häufig zu strafrechtlichen Konsequenzen, auch wenn die Zahl der Verweigerer langsam steigt.

Die Wehrpflicht ist aufgrund der anhaltenden Bedrohung durch feindliche Nachbarstaaten ein zentraler Bestandteil der israelischen Sicherheitsstrategie. Das 9,6 Millionen Einwohner starke Land leistet sich 170.000 aktive Soldaten und 465.000 starke Reserve. Der große Vorteil dieses Modells liegt in der ständigen Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. Allerdings führt der immense gesellschaftliche Druck auf die Wehrpflichtigen zu einer spürbaren Belastung, da die Ablehnung des Dienstes oft schwerwiegende persönliche und soziale Konsequenzen mit sich bringt.

Südkorea

Südkorea hat eine verpflichtende Wehrpflicht gilt für Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren. In der Verfassung Südkoreas wird der Wehrdienst als eine von vier Pflichten des Staatsbürgers (neben Bildung, Arbeit und der Entrichtung von Steuern) genannt. Die Mindestverpflichtungszeit der jährlich 200.000 Wehrpflichtigen ist je nach Teilstreitkraft 18 bis 21 Monate. Frauen dürfen sich seit 1950 freiwillig verpflichten.

Angesichts der Bedrohung durch Nordkorea ist der Wehrdienst essenziell. Die große Bevölkerung (51,6 Millionen Einwohner) ermöglicht eine starke Armee von und 3,8 Millionen Soldaten (davon 600.000 aktiv), aber es gibt auch soziale Spannungen aufgrund der langen Dienstzeit und der Pflicht, die Karriere zu unterbrechen.

Vor- und Nachteile der Wehrpflicht und die gesellschaftlichen Auswirkungen

Militär und Wehrpflicht sind auf den ersten Blick eine Belastung für die Volkswirtschaft – sowohl durch direkte Kosten als auch indirekt, da Arbeitskräfte der Wirtschaft für einen bestimmten Zeitraum entzogen werden. Doch Sicherheit ist nicht umsonst, und sie bildet die Grundlage für einen attraktiven Wirtschaftsstandort. Deutschland konnte über Jahrzehnte hinweg von Frieden profitieren, da das Konzept der Friedenssicherung durch Abschreckung seine Wirkung zeigte. Allerdings hat sich die politische und sicherheitstechnische Lage seit 2014 und insbesondere mit dem Jahr 2022 grundlegend verändert. Krieg ist wieder eine Realität in Europa, und ein aggressiver Akteur im Osten stellt eine Bedrohung dar. Dies hat ein neues Bewusstsein für die Bedeutung von Sicherheit geweckt, und es wird nun versucht, die versäumten Investitionen in Verteidigung nachzuholen. Doch wie das Beispiel der Ukraine zeigt, ist eine gut ausgerüstete Armee allein nicht ausreichend – ohne genügend Personal können Kriege nicht gewonnen werden.

Ein wesentlicher Vorteil der Wehrpflicht besteht darin, eine breite Reserve an Soldaten aufzubauen, die im Krisenfall schnell mobilisiert werden können. Reservisten benötigen im Ernstfall lediglich eine Auffrischung ihres Wissens, statt eine langwierige Grundausbildung zu durchlaufen. Ein weiterer, oft unterschätzter Aspekt ist die psychologische Vorbereitung: Gefechtssituationen, die mit realer Gefahr für Leib und Leben verbunden sind, sind für jeden Menschen extrem stressbelastend. Doch jemand, der bereits in Friedenszeiten militärisch ausgebildet wurde und genau weiß, was in einem Ernstfall von ihm erwartet wird, wird mental deutlich besser darauf vorbereitet sein, als jemand, der im Verteidigungsfall einen Crashkurs durchläuft und ohne nennenswerte Vorbereitung an die Front geschickt wird. Dies gilt nicht nur für Kampfeinsätze, sondern auch für andere Aufgaben wie den Katastrophenschutz, wo gute Vorbereitung und regelmäßiges Training zu einer größeren mentalen Stabilität und Handlungsfähigkeit führen.

Eine Wehrpflicht nützt also nicht nur dem Staat und der Gesellschaft, sondern trägt auch eine gewisse Fürsorgekomponente in sich. Sie bereitet junge Menschen bestmöglich auf den Ernstfall vor – auf das, was hoffentlich nie eintreten wird, aber wofür man vorbereitet sein muss.

Darüber hinaus sollte man den positiven Effekt des Grundwehrdienstes in Friedenszeiten keinesfalls unterschätzen. Die Wehrpflicht prägte ganze Generationen und hinterließ tiefgreifende Spuren in der Gesellschaft. Durch den sogenannten Bundeswehr-Dreiklang „Führen – Erziehen – Ausbilden“ wurden die Wehrpflichtigen nicht nur militärisch geschult, sondern auch in ihrer persönlichen Entwicklung gefördert. Sie erlernten wichtige soziale Kompetenzen, wie Teamarbeit, Verantwortungsbewusstsein und Disziplin. Zudem trug die Wehrpflicht entscheidend zur demokratischen Prägung junger Menschen bei, indem sie ihnen ein Gefühl für gesellschaftliche Verantwortung und den Wert demokratischer Grundprinzipien vermittelte. Viele junge Männer entschieden sich für den Zivildienst und leisteten so wertvolle Beiträge in sozialen Einrichtungen. Heute müssen diese Einrichtungen auf Freiwillige zurückgreifen, um den Wegfall der Zivildienstleistenden zumindest teilweise auszugleichen. Die Bedeutung dieser sozialen Dienste für das Gemeinwesen war und bleibt immens.

Die Aussetzung der Wehrpflicht führte zudem dazu, dass der Bundeswehr ein großer Teil ihrer Reservisten verloren ging, die im Verteidigungsfall sofort einsetzbar gewesen wären. Das Argument, dass moderne Waffensysteme zu komplex seien, um von Wehrpflichtigen bedient zu werden, greift nur teilweise. Zwar erfordern viele hochmoderne Verteidigungssysteme umfangreiche Schulungen und Fachwissen, doch es gibt nach wie vor viele Aufgaben, die kein hohes technisches Verständnis erfordern – etwa Sicherungsposten oder logistische Tätigkeiten. Solche Aufgaben könnten problemlos von grundlegend ausgebildeten Reservisten oder Wehrpflichtigen übernommen werden, während Berufssoldaten für spezialisierte und anspruchsvollere Tätigkeiten eingesetzt würden.

Schließlich führte die Aussetzung der Wehrpflicht auch zu einem Rückgang der gesellschaftlichen Integration und Solidarität, insbesondere in sozialen Berufen. In Krisenzeiten, wie der COVID-19-Pandemie, wurde kurzzeitig die Bedeutung bestimmter Berufe, etwa der Pflege, anerkannt – jedoch verblasst dieses Bewusstsein oft schnell.

Fazit: Ein verpflichtendes Dienstjahr für alle Geschlechter

Wie bereits erläutert, ist eine Rückkehr zur alten Wehrpflicht nicht nur unrealistisch, sondern auch weder zweckmäßig noch zeitgemäß. Das aktuell vorgestellte Modell der Wehrpflicht stellt ebenfalls keine optimale Lösung dar, sondern ist vielmehr das Ergebnis eines versuchten Kompromisses aufgrund fehlender politischer Mehrheiten.

Angesichts der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Herausforderungen und des demografischen Wandels in Deutschland halte ich die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht, in Form eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres für alle Geschlechter, für eine sinnvolle und zukunftsorientierte Lösung. Ein solches Modell würde nicht nur die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr stärken, sondern auch den sozialen Zusammenhalt fördern und junge Menschen frühzeitig in gesellschaftlich relevante Aufgaben einbinden. Um dies umzusetzen, wäre eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat voraussetzt.

Meine Vision eines verpflichtenden Dienstjahres für den Staat, unabhängig vom Geschlecht, sieht folgendermaßen aus:

Alle Schulabgänger, ungeachtet ihres Geschlechts, werden sich einer medizinischen Musterung unterziehen. Die Ergebnisse dieser Musterung werden in Form von Tauglichkeitsgraden in eine zentrale Online-Plattform eingetragen, die einzig und allein der Organisation und Verwaltung des Gesellschaftsjahres dient. Darüber hinaus sind die Jugendlichen verpflichtet, die von der Einwohnermeldebehörde übermittelten persönlichen Daten zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Ein kurzer Fragebogen zur Motivation für den Militärdienst und eine Abfrage bestimmter sportlicher Fähigkeiten muss ebenfalls beantwortet werden.

Diese zentrale Plattform würde zudem umfassende Informationen über das Dienstjahr bereitstellen. Alle gesellschaftlich relevanten Einrichtungen wie Altenheime, Förderschulen, Feuerwehren, das Technische Hilfswerk (THW) sowie die Bundeswehr hätten bis zu einem bestimmten Stichtag die Möglichkeit, sich auf dieser Plattform einzutragen und anzugeben, wie viele Dienstleistende sie im kommenden Jahr benötigen und aufnehmen können. Dabei sollten auch eventuelle Einschränkungen, die eine Tätigkeit ausschließen, sowie eine kurze Vorstellung der Einrichtung und eine Tätigkeitsbeschreibung eingereicht werden.

Die Jugendlichen könnten anschließend mithilfe dieser „Jobbörse“ und einer interaktiven Karte, unter Berücksichtigung ihrer Tauglichkeit, für sie passende Tätigkeiten auswählen und diese in einer priorisierten Liste bis zu einem festgelegten Datum eintragen. Ein Algorithmus würde dann auf der Grundlage von Fachwissen, individuellen Wünschen, medizinischen Befunden und, wenn möglich, der geografischen Nähe, eine faire und effiziente Zuteilung der Dienstposten vornehmen.

Ein solches Modell würde nicht nur zu einer gerechten Verteilung der Dienstleistenden führen, sondern auch die soziale Infrastruktur und die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands erheblich stärken. Zudem würde es jungen Menschen die Möglichkeit geben, aktiv in gesellschaftlich bedeutende Bereiche einzutreten und dort wertvolle Erfahrungen zu sammeln.

Langfristig könnte ein verpflichtendes Dienstjahr, sei es im militärischen oder sozialen Bereich, dazu beitragen, das Verständnis für die Bedeutung sozialer und gesellschaftlicher Berufe zu fördern. Gleichzeitig würde es die Solidarität innerhalb der Gesellschaft stärken und das Bewusstsein für die Verantwortung, die jeder Einzelne in einer funktionierenden Gemeinschaft trägt, schärfen.

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